Verträge zwischen Distributoren und Kunden
07. Februar 2021
Verträge zwischen Distributoren und Kunden – und warum rechtliche Fallstricke lauern
Quelle: Markt & Technik, das Interview führte Karin Zühlke
Markt&Technik Das Competence Team Qualitätsmanagement des FBDi wird von Ihnen zusammen mit Patrick Lehn von Rutronik und Klaus Ullmer von Avnet geleitet. Neuester Wurf ist das „Quality-Paket“. Im Mittelpunkt steht dabei die Tatsache, dass ein Distributor in der Regel weder Werk- noch Dienstverträge erfüllt, sondern Kaufverträge. Wo genau liegen dabei die Unterschiede?
Ralf Liebetrau Kundenseitige QSVs & NDAs sind zugeschnitten auf Produktionsbetriebe bzw. auf Entwicklungsbetriebe. Oft finden darin die darüber hinausgehenden Erfordernisse in Bezug auf Kommunikation und Logistik in der Distribution keine Berücksichtigung. Ein seriöser Distributor kann nicht alle Aspekte betreffend Leistungserbringung und Vertraulichkeit zusagen, weil sie entweder nicht in seinem Erfüllungsbereich liegen oder in puncto Kommunikation ein Dritter einzubeziehen ist – in der Regel der Hersteller der Komponenten.
Hier setzt die von unseren FBDi-Mitgliedern erarbeitete QSV an: Sie ist für alle Marktteilnehmer ein Instrument mit größter Rechtssicherheit und spiegelt dieses Leistungsspektrum bzw. den Verantwortungsbereich der Distribution wider.
Durch den geringeren Klärungsbedarf erreichen wir verkürzte Durchlaufzeiten bei den Verhandlungen zwischen Distributoren und Kunden. Dabei gibt es die QSV in zwei Versionen, die beide auf Erfahrungen der Mitglieder basieren und in Deutsch und Englisch verfügbar sind: Eine „reine“ QSV bei bereits bestehenden Rahmen- und Lieferverträgen und eine Version mit Haftungs- und AGB-Regelung bei neuen Geschäftsbeziehungen.
M&T Und inwieweit handelt es sich dabei um deutsches oder EU-Recht?
Liebetrau Die reinen Qualitätsthemen sind universell. Natürlich basieren die Dokumente auf deutschem Recht, aber bei Lieferung in ein Drittland sind selbstverständlich die Qualitätsaspekte des Empfängerlandes einzubeziehen.
M&T Was ergibt sich für Distributoren daraus – insbesondere, wenn es um die Qualität bzw. Mängel und Reklamationen der von den Distributoren vertriebenen Produkte geht?
Liebetrau Unser FBDi-Leitfaden für Produktanalysen und 8D-Reports enthält Maßnahmen, die zur Verbesserung der Kommunikation, zur Klärung des Workflows und zur Definition von Verantwortlichkeiten bei Produktanalysen führen soll. Dabei gilt: Je qualifizierter der Antrag auf Produktanalyse erstellt wird, desto höher ist die Chance einer weiteren Bearbeitung durch die Hersteller.
Die Informationen sollten mit ausführlicher Fehlerbeschreibung in englischer Sprache (zur Vermeidung von Übersetzungsfehlern) in der vom Hersteller geforderten Form vorliegen. Finden die Vorgaben dieses Leitfadens Erfüllung, beschleunigt und verbessert das den ganzen Prozess. Das kommt dem Kunden entgegen, weil ein eventueller Produktionsstopp oder ein Lieferverzug damit vermieden bzw. verkürzt wird.
M&T Sind die vom FBDi zur Verfügung gestellten Dokumente als „Draft“ zu verstehen oder bereits rechtlich geprüft und können 1:1 verwendet werden?
Liebetrau Selbstverständlich muss jeder Anwender die Vorlage noch individuell an seine betrieblichen Gegebenheiten anpassen. Diese Vorlagen des FBDi sind rechtlich geprüft und bieten daher ein größtmögliches Maß an Sicherheit für Distributoren und deren Kunden. Gerade weil in den Beschaffungsprozessen eine verlässliche Regelung erforderlich ist, unterstützen diese Dokumente alle Unternehmen, die der steigenden Komplexität nicht mit entsprechend hoher Personaldecke begegnen können, um entsprechend rechtssichere Verträge schnell erstellen zu können. Hier bieten unsere rechtssicheren Vorlagen eine schnelle und verlässliche Basis. Zusätzlich besteht natürlich die Möglichkeit, eigene und kundenseitige Wünsche zu berücksichtigen; in dem Fall empfehlen wir, das Ergebnis noch einmal rechtlich überprüfen zu lassen.
M&T Inwiefern haben die Risiken und Herausforderungen in der Supply Chain in diesem Kontext über die letzten Jahre zugenommen?
Liebetrau Distribution in der Elektronik-Branche war schon immer ein äußerst dynamisches Geschäft in einem dynamischen Marktumfeld. Die Elektronik ist der Treiber bzw. das Rückgrat für viele Innovationen, und die Zyklen sind extrem schnelllebig. Entsprechend müssen die Akteure in diesem Markt auch immer an der Spitze der Technologie stehen, um für ihre Kunden und Lieferanten die erwartete und notwendige Leistung zu erbringen. Diese hat sich denn auch in den letzten Jahren extrem gewandelt, sodass heute nicht mehr der reine Verkauf und die Lieferung von elektronischen Komponenten oder Baugruppen im Vordergrund steht.
Mit den hohen Anforderungen unterschiedlichster Branchen und Industriezweige wird der zu leistende Spagat der Distribution immer schwieriger – und nicht alle Anforderungen spezifischer Branchen sind von der Distribution zu erfüllen, da viele dieser – im Einzelfall durchaus berechtigten – Anforderungen das Design, die Produktion und die Entwicklung betreffen und nicht die Logistik.
Diese Herausforderungen hat die Distribution schon immer angenommen und ihr originäres Leistungsspektrum deutlich erweitert. Darum ist das Produkt, das ein Distributor heute verkauft, schon lange mehr als nur ein physisches Produkt. Heute beinhaltet die Distribution eine Vielzahl von Services gepaart mit Know-how und Daten über viele Applikationen und rechtliche Rahmenbedingungen.
Kunden fordern neben dem Produkt und den typischen Logistikparametern auch Finanzierung, Sicherheitsläger, Early Warnings und Risikobewertung, Information über chemische Zusammensetzung, Lifecycle und voraussichtliche Produktlebenszeit, und vieles mehr. Zusätzlich wird der Themenkreis durch EU-Richtlinien und Verordnungen ständig erweitert. Das bewirkt, dass Distributoren gerade auch als Importeure eine hohe Verantwortung von der Herstellung bis zur Entsorgung im Rahmen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und damit für uns und unsere Umwelt übernehmen.
M&T Gibt es zu den Qualitätsthemen auch einen Austausch mit Distributionsverbänden anderer Länder?
Liebetrau Ja, der FBDI tauscht sich regelmäßig mit den anderen europäischen Distributionsverbänden aus. An erster Stelle ist hier IDEA (International Distribution of Electronics Association) zu nennen, in der unter anderem auch die italienischen, französischen und britischen Verbände organisiert sind. Bei den anderen europäischen Verbänden dominieren allerdings gegenwärtig andere Themen wie Brexit bei den Briten, oder aber auch Corona bei den anderen.
Alle Dokumente des „Quality-Pakets“ stehen in Deutsch und Englisch zum Download auf der hier zugänglichen Webseite des FBDi bereit:
www.fbdi.de/wissen-teilen.html
Für größere Sicherheit und Verlässlichkeit in der Zusammenarbeit decken die neutralen, rechtlich geprüften QSV-Vorlagen mit bzw. ohne Haftungs- und AGB-Regelungen rund 95 % der gängigen Kundenforderungen ab und berücksichtigen spezielle Distributionsbelange. Die Möglichkeit, sie mit eigenen Textblöcken zu ergänzen, macht diese Vorlagen universell verwendbar. Zudem sind sie für die Nutzung durch Kunden und nicht organisierte Distributoren ausgelegt und kurzfristig vereinbar.
Wenn es um kundenspezifische Bauteile und Projekte geht, regelt die NDA-Vorlage die Verschwiegenheit bereits im Designstadium und Einkauf, sodass Produktdesigns geschützt werden können und firmeneigenes Wissen bewahrt wird. Die ausbalancierte NDA-Vorlage des FBDi ist für die gesamte Branche anwendbar. Sie enthält Platzhalter für ausgetauschte, geheimhaltungsbedürftige Informationen, Daten, Unterlagen und beidseitige Regelungen betreffend übermittelter Inhalte.
Im Fall einer technischen Reklamation ist die beste Maßnahme zur Kundenbindung deren reibungslose und schnellstmögliche Abwicklung. Hierfür hat der FBDi den praxisnahen Leitfaden „Produktanalysen und 8D-Report“ erarbeitet, der distributionsübergreifend einsetzbar ist. Diese qualifizierte Handlungshilfe führt im Zuge von einzelnen, klar definierten Schritten durch den Prozess des Reklamations-Handlings und soll ein standardisiertes, für alle Beteiligten verständliches Vorgehen sicherstellen. Denn je qualifizierter der Antrag auf eine Produktanalyse erfolgt, desto höher ist die Chance auf eine aussagefähige und umfassende Fehleranalyse des Herstellers bis hin zu einem 8D-Report.