»Produktsicherheit«
01. Juni 2023
Höhere Produktsicherheit für den EU-Binnenmarkt.
Quelle: ElektronikPraxis · Mai 2023; Autorin Beate Lorenzoni (i.A. FBDi e.V.), Redaktion Margit Kuther (ElektronikPraxis)
Der Schutz für den europäischen Binnenmarkt soll effizienter und effektiver werden, das betrifft auch den Elektronikmarkt und dessen Produkte – in Anbetracht der anwachsenden Marktplätze zwingend notwendig. Zur schnellstmöglichen Umsetzung hat der EU-Rat neuen Regularien und der Marktüberwachungsverordnung höchste Priorität eingeräumt.
Das Ziel lautet: Mehr Sicherheit für die Verbraucher, eine engere Zusammenarbeit der zuständigen Behörden auf EU-weitem Level und größere Rechtssicherheit für Unternehmen. Dazu sollen die aktuellen Durchsetzungsvorschriften in einem einzigen Rechtsakt vereint werden und eine einheitliche Durchsetzung in der ganzen EU ermöglichen. Der FBDi fasst die wichtigsten Regularien zusammen:
EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft
Im März 2020 verabschiedete die EU-Kommission im Rahmen des Europäischen Green Deals den EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft. Dieser sieht vor, schon beim Design von Produkten am Anfang der Produktionskette anzusetzen – und geht damit weit über die Abfallwirtschaft hinaus. So sollen Langlebigkeit, Reparierbarkeit, Möglichkeiten für Upgrades von Produkten bis hin zum Recycling von Rohstoffen ermöglicht werden. Geplant sind höhere Anforderungen an die Energieeffizienz und Schadstofffreiheit, und die Unterstützung von sekundären Rohstoffen und kreislauffähige Produkte und höhere Transparenz für die Konsumenten. Der Aktionsplan ist ein politisches Programm, das ankündigt welche rechtlichen Schritte in den kommenden Jahren gesetzt werden.
Kreislaufwirtschaftsgesetz
Das nationale KrWG bezweckt die Förderung der Kreislaufwirtschaft zur Schonung der natürlichen Ressourcen und Sicherung einer umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen. Das KrWG soll insbesondere zu deponierende Abfälle reduzieren, wobei die oberste Priorität auf der Vermeidung von Abfällen liegt, z.B. durch Verzicht auf Verpackungen, gefolgt von der Wiederverwendung (Mehrwegverpackungen). Die stoffliche Verwertung bzw. Recycling steht vor der energetischen Verwertung von Abfällen, letzten Platz in der Hierarchie nimmt die Beseitigung ein.
Digitaler Produktpass (DPP)
Bei Produkten des täglichen Lebens besteht Informationsbedarf, darum sollen langfristig alle Produkte einen DPP bekommen. Dieser soll vom Rohstoff bis zum Recycling für Transparenz entlang des gesamten Lebenszyklus eines Produkts sorgen und als Entscheidungshilfe für den Erwerb von nachhaltigen Produkten dienen. Laut BMUV (Bundesministerium f. Umwelt und Verbraucherschutz) sollen alle Informationen zum Produkt im ‚Single Point of Truth‘ zusammenlaufen, wo diese gezielt für die jeweiligen Nutzergruppen wie Hersteller, Reparaturbetriebe, Recyclingunternehmen, bereitgestellt werden, z.B. als zentrale Datenbank mit Zugriff über eine App. So unterstützt der DPP eine umweltgerechte Kreislaufwirtschaft – von der nachhaltigen Rohstoffgewinnung, über die nachhaltigere Herstellung und Nutzung bis zum fachgerechten Recycling zum besseren Schutz der Umwelt.
Bildquelle BMUV
Single Window-Verfahren für den Zoll
Bisher mussten Unternehmen die in der EU notwendigen Dokumente für die Zollabwickung über national unterschiedliche Behörden einreichen. Bei der Single-Window-Umgebung soll die Einreichung über ein einziges Portal erfolgen, das durch eine stärker automatisierte Abfertigung den Verwaltungsaufwand für Wirtschaftsbeteiligte und Marktüberwachung verringert. Dadurch kann die Warenabfertigung deutlich schneller erfolgen.
Alle zuständigen Behörden an den EU-Außengrenzen sollen künftig vom reibungslosen elektronischen Zugriff auf die relevanten Daten profieren, was die Zusammenarbeit bei Grenzkontrollen erleichtert. Der endgültige Vorschlag zur Einrichtung der Single-Window-Umgebung der EU für den Zoll und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013) wurde am 9.12.2022 im Amtsblatt der EU veröffentlicht (Verordnung (EU) 2022/2399).
Import Control System 2 (ICS2)
Das Frachtinformationssystem ICS2 der EU sieht die Erfassung der Daten zu allen in die EU eingeführten Waren vor ihrer Ankunft vor. Wirtschaftsakteure sind verpflichtet, ihre Daten an ICS2 zu melden, und zwar in drei Phasen je nach Art der von ihnen erbrachten Dienstleistungen im internationalen Warenverkehr. Damit erleichtert das ICS2 die grenzübergreifende Freigabe für den rechtmäßigen Handel und ebenso den Informationsaustausch zwischen den Wirtschaftsakteuren und den EU-Zollbehörden. Diese können mithilfe von Frachtinformationen und Risikoanalysen Warensendungen mit hohem Risiko früher und besser identifizieren und an der passendsten Stelle eingreifen bzw. gezielte Zollmaßnahmen an den EU-Außengrenzen unterstützen.
Produktsicherheitsverordnung
Bei der Gewährleistung der Sicherheit von Non-Food-Konsumgütern auf dem Binnenmarkt wird grundsätzlich in zwei Bereiche unterteilt:
• Harmonisierte Produkte (deren technische oder andere Merkmale durch EU Harmonisierungsrechtsvorschriften abgedeckt sind) machen etwa zwei Drittel der Non-Food-Produkte auf dem EU-Markt aus.
• Nicht harmonisierte Produkte machen rund ein Drittel aus und gehören lt. Eurostat zu den am häufigsten online verkauften Produkte.
Die allgemeine Produktsicherheit ist in der Richtlinie 2001/95/EC (GPSR bzw. General Product Safety Regulation) des Europäischen Parlaments definiert. Die darin enthaltenen Vorschriften für Hersteller, Importeure und Inverkehrbringer / Distributoren sollen sicherstellen, dass im Europäischen Binnenmarkt in den Verkehr gebrachte Produkte für Verbraucher sicher sind. Nach der GPSD gilt ein Produkt als sicher, wenn es unter normalen oder vernünftigen, vorhersehbaren Verwendungsbedingungen »keine oder nur eine mit der Verwendung des Produkts zu vereinbarende minimale Gefahr« darstellt. Die nationale Umsetzung erfolgt durch das Produktsicherheitsgesetz. Es erlaubt die Markteinführung eines Produkts nur dann, »wenn es bei bestimmungsgemäßer oder vorhersehbarer Verwendung die Sicherheit und Gesundheit von Personen nicht gefährdet«. Die GPSR beinhaltet zudem Regelungen für die Marktüberwachung.
Marktüberwachung
Gefährliche Produkte müssen systematisch auffallen, nicht per Zufall. Dafür gibt es in allen Mitgliedsstaaten der EU die staatliche Marktüberwachung. Sie verfolgt den Schutz vor unsicheren Produkten und zudem die Stärkung des fairen Wettbewerbs im Binnenmarkt, was wiederum die Wettbewerbsfähigkeit aller Wirtschaftsakteure steigert.
Einen verbindlichen Rechtsrahmen für eine gemeinschaftliche Marktüberwachung schafft die Verordnung EU 2019/1020 (Marktüberwachung und Konformität von Produkten), in Kraft seit 2019. Sie enthält Regelungen für die Marktüberwachung und die Konformität von Produkten sowie Regelungen für Kontrollen durch den Zoll. Bei Feststellung von Mängeln erfolgt keine Freigabe für den freien Warenverkehr, und der Vorgang wird zur Prüfung an die zuständige Marktüberwachungsbehörde weitergegeben. Wegen bislang großer Unterschiede bei Ressourcen und Konsequenz der Marktüberwachung in den verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten müssen diese nun alle vier Jahre eine MÜ-Überwachungsstrategie erstellen.
Seit November 2022 ist ein neuer Vorschlag für die Marktüberwachung in Arbeit – Treiber dafür sind neue Herausforderungen durch den anwachsenden internationalen Onlinehandel. Mit dem Vorschlag sollen unsichere Produkte vom Binnenmarkt besser fernzuhalten bzw. soll mit der neuen Verordnung ein einheitliches Europa-weites Herangehen erreicht werden. Das gilt insbesondere für nicht harmonisierte Produkte, die von der VO2019 / 1020 nicht abgedeckt werden.
Geplant ist ein einziges Regelwerk an Marktüberwachungsvorschriften sowohl für harmonisierte als auch für nicht harmonisierte Produkte (u.a. durch den Angleich der Bestimmungen an die Marktüberwachungsverordnung), das würde die Wirksamkeit von Produktrückrufen verbessern. Ein auf die neuen digitalen Technologien erweiterter Verbraucherschutz würde die Verbraucherrechte verbessern, u.a. durch die Ausweitung der möglichen Rechtsbehelfe im Falle eines Rückrufs.