Fachfrauen an die Spitze
23. Oktober 2024
Beim Thema Fachkräftemangel sind sich viele Experten einig:
In wenigen Jahren wird uns dieser gewaltig in den Hintern treten. In einer komplexen Gesellschaft wie Deutschland ist jeder fehlende Ingenieur oder Techniker die Ansage zu Wohlstandsverlust.
Merken Sie was? Ich habe nicht gegendert bzw. habe die weibliche Form ausgelassen. Der Grund ist nicht, dass ich bei diesem Fettnapf-verminten Thema neue Feinde gewinnen, sondern auf den Umstand hinweisen wollte, dass es viel zu wenige Frauen in entscheidenden Berufen unserer Industrie gibt.
Ich erspare mir die Fettnäpfe und Ihnen das Herunterbeten altbekannter Versäumnisse in der Gesellschaft, nur so viel: Das muss sich ändern. Die Voraussetzungen könnten besser nicht sein: Es gibt genauso viele Frauen wie Männer, sie sind gleich intelligent und wenn ich mich derzeit in der Welt umschaue, würde ich sogar sagen, sie werden es besser machen als der männliche Teil der Weltbevölkerung. Allein das zu sagen, birgt schon die Gefahr der Banalität, denn das Geschlecht sollte keine Rolle spielen, wenn es darum geht, mittels Innovation die Welt nachhaltiger zu gestalten. Tut es aber.
Wenn 50 % aller Hochschulabsolventen Frauen sind, warum landen dann so wenige Ingenieurinnen, Betriebswirtinnen, Marketing-Spezialistinnen in den Management- und Vorstandsetagen führender Unternehmen?
Natürlich kennt jeder von Ihnen eine Vorständin, Marketing-Chefin etc., aber die Statistik lügt nicht. Die Organisation Women in Electronics, gegründet 2017, zeigt die Realität für die USA: 59 % aller College Absolventen sind Frauen, sie stellen 48 % der Workforce, besetzen aber nur 33 % der Managementpositionen, 21 % der C-Level Rollen und nur 8 % der Fortune 500 CEOs.
Das hat nichts mit der Qualifikation oder dem mangelnden Durchsetzungsvermögen zu tun, sondern mit der Tatsache, dass sie gegen einen mächtigen Feind antreten: strukturellen Sexismus. Dass die Situation in USA besser ist als vielleicht anderswo, könnte eventuell mit dem Rechtssystem zu tun haben (mangelnde Diversity kann man teuer einklagen). Dass die Situation in Deutschland wahrscheinlich schlechter ist, passt zum derzeitigen deutschen Gesamtkunstwerk.
Dabei ist die Benachteiligung von Frauen nicht nur ungerecht (siehe Gehaltsunterschiede), sie ist auch wirtschaftlich fahrlässig, gerade in Zeiten des Fachfrauenmangels.
Ich habe bisher niemanden gefunden, der mir sagen kann, wie wir die Expertinnen-Lücke allein in unserer Industrie schließen wollen, ohne das natürlichste Instrument der Welt anzuwenden: gleichberechtigte Förderung. Natürlich geht die Auflösung des »Chauvi«-Rückstaus nicht von heute auf morgen. Aber irgendwann müsste mal damit begonnen werden, jungen Frauen die Karriere als Ingenieurin, Technikerin, Designerin leichter zu machen.
Dankenswerterweise gibt es Organisationen wie Women in Electronics, die sich zum Ziel gesetzt haben, etwas an der Misere zu ändern. Women in Electronics setzt dabei nicht auf konfrontative Methoden, sondern auf Mentoren, Zusammenarbeit und Weiterbildung.
Netzwerken für eine bessere Zukunft
Auf der Electronica können Sie die Gelegenheit wahrnehmen, die Protagonistinnen der Organisation kennenzulernen und Verständnis dafür zu entwickeln, was noch alles zu tun ist. Es gibt mittlerweile sogar ein deutsches Chapter. Bei Bedarf vermittelt unser Verband gern die entsprechenden Kontakte.
Kleine Anmerkung zum Schluss: Liebe Männer, Ihr seid die idealen Mentoren, um für eine systematisch gleiche Förderung und Chancenermöglichung zu sorgen und die noch riesigen Lücken schließen zu helfen.
© Bildmaterial, G. Steinberger