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20 Jahre FBDi – Distribution im Wandel: »Digitalisierung / Automatisierung«

KI – Vom Hype zur Schlüssel­techno­logie der Zukunft

01. Oktober 2024

»Künstliche Intelligenz: Vom Hype zur Schlüsseltechnologie der Zukunft«
Georg Steinberger, Vorstandsvorsitzender des FBDi

Künstliche Intelligenz in der Supply Chain – zu früh oder just in time?

Wird künstliche Intelligenz Wirtschaft und Ge­sell­schaft radikal verändern? Spätestens seit der Einführung von Chat GPT ist der Hype groß. Und in der Tat sind die An­wen­dungs­mög­lich­keiten für »enge bzw. schwa­che KI« in der realen Industrie endlos. Sehen Sie sich einfach unsere kleine Elektronik-Lieferkette an. Der Schlüssel zum Erfolg sind gute Daten, ein gutes Verständnis des Anwendungsfalls und ein greif­barer Nutzen.

Meine erste Begegnung mit KI war 1988, als ich als junger Redakteur einen französischen Auto­mo­bil­her­steller besuchte, der ein in der Schweiz ent­wickel­tes Expertensystem auf einem 286er PC einsetzte. Das System lieferte in rund 15 Minuten eine Fehleranalyse für einen Lackierroboter. Heute würde ein solches KI-gestütztes System nicht nur in einer für den Benutzer unbekannten Cloud laufen, sondern auch den Ausfall lange bevor der Roboter ausfällt, vorhersagen, und dem War­tungs­team vorschlagen, den Roboter in einer Pro­duk­tions­pause lange vor einem typischen War­tungs­zy­klus zu reparieren.

Zwei Beispiele für »Künstliche Intelligenz« oder besser gesagt für maschinelles Lernen, die den un­glaub­li­chen Fortschritt der Technologie in we­niger als 40 Jahren veranschaulichen, haupt­säch­lich dank der im­men­sen Rechen­leis­tung, die heute zur Verfügung steht.

Beispiele aus der realen Welt wie die vo­raus­schau­ende Wartung gibt es zuhauf, und sie wurden lange vor Chat GPT entwickelt, das die KI auf die Tages­ordnung setzte. Der Hype ist da – und was für ein Hype! Die diesjährige Flaute auf dem Halb­leiter­markt wird aus­schließ­lich von zwei Komponenten kom­pen­siert: GPUs und High-Band­width-Speicher. Alles andere düm­pelt vor sich hin, vor allem hier im com­pu­ter­in­dus­trie­losen Europa.

Die verschiedenen KI-Marktprognosen für das Jahr 2030, die ich in den letzten Wochen zu­sam­men­ge­tragen habe, reichen von »ma­ge­ren« 1,8 Billionen US-Dollar (Statista) bis hin zu atemberaubenden 15,7 Billionen US-Dollar, die PwC zusammen mit dem Welt­wirt­schafts­fo­rum (ja, die) für den KI-Markt plus positive Auswirkungen auf das BIP prog­nos­ti­ziert. Letzteres wird im Jahr 2030 nicht weniger als 10 % des globalen Bruttoinlandsprodukts aus­ma­chen. 15 Billionen US-Dollar an zu­sätz­li­chem Wohl­stand, der ohne KI nicht möglich wäre?

Zusätzlicher Wohlstand kann nur aus zwei Quellen kommen: mehr Wachstum oder we­ni­ger Ausgaben. Darum muss der Schwerpunkt der KI-An­wen­dungs­fälle – intelligentes Sehen, Robotik, maschinelles Lernen, Sprach­ver­ar­bei­tung, Sprach­er­ken­nung, Expertensysteme und vieles mehr – auf der Opti­mie­rung von Pro­zes­sen liegen, um jede Form von Ver­schwen­dung, Risiken und Kosten (ja, das schließt Menschen ein) zu reduzieren, die Ent­wick­lungs- und Be­reit­stel­lungs­zeit zu beschleunigen oder darauf, mittels Datenanalyse neue Ge­schäfts­mög­lich­keiten und Wert­schöp­fung zu finden.

Wenn ich mir zum Beispiel unsere kleine Branche – elektronische Bauteile – anschaue und darüber nach­denke, wo Pro­duk­ti­vität verloren geht, wo sich Risiken häufen oder wo Chancen zu finden sind, dann fallen mir viele Prozesse ein, bei denen eine Form von KI helfen könnte. Wahrscheinlich wäre eine genauere Analyse notwendig. Der Einfachheit halber verwende ich nur diese eine Grafik, die das KI-Po­ten­zial in Prozessen zeigt, die bei Distributoren vorherrschen. Ich bin aber gern bereit, auch andere Ideen – vom Design bis zur Fertigung – zu dis­ku­tieren.

KI-Potenzial in der Distribution

Unabhängig davon, welche dieser Mög­lich­kei­ten Sie in Betracht ziehen, gibt es einige grund­le­gende Fragen, die Sie sich zuerst stellen sollten:

  • Habe ich ein gutes Verständnis des An­wen­dungs­falls (Pro­zes­ses, Daten­er­kennt­nisse), den ich adressieren möchte?
  • Ist mein Digitalisierungsgrad über alle be­trof­fe­nen Funk­tio­nen in einem An­wen­dungs­fall gut genug?
  • Habe ich genügend Daten von aus­rei­chen­der Qualität, um ein System richtig zu trainieren?
  • Habe ich einen greifbaren Nutzen in meinem Anwendungsfall (Zeit, Kosten, Risiko)?
  • Wer hat die KI-Expertise (intern oder extern), um mir zu helfen?

Meine Lieblingsbeispiele in der obigen Liste der Möglichkeiten sind der künstliche FAE und der künstliche Supply-Chain-Experte. Dies aus dem einfachen Grund, weil diese Expertise heute selten ist und noch seltener werden wird, wenn der Mangel an Ingenieuren und Experten zunimmt, und die Babyboomer in Scharen in Rente gehen. Warum also nicht der KI-gestützte virtuelle Supply-Chain-Experte oder der KI-FAE?

Unabhängig davon sehe ich die Distribution als her­vor­ra­gen­des Objekt für eine weitere KI-Durch­dringung: Die schiere Anzahl der Trans­ak­tionen und Vorgänge, die Kom­plexi­tät der vor- und nach­ge­la­gerten Supply-Chain und nicht zuletzt der enorme Kostendruck er­zwin­gen ge­ra­dezu neue Wege, um mehr Trans­pa­renz, mehr Effi­zienz und mehr Wachs­tums­mög­lich­keiten zu schaffen.

Das sind keine Hirngespinste von Journalisten oder Branchenexperten, sondern Realität. Andere Bran­chen mögen bei der Einführung schneller sein, und genau das ist die He­raus­for­derung: Sie müssen in diesen Bereichen einen Reife­grad ent­wickeln, um dem durch­schnitt­li­chen Wettbewerber voraus zu sein, sonst wird sich das früher oder später auf Ihre Ren­ta­bi­li­tät auswirken. Die Top-Unter­neh­men in jeder Branche verdienen mehr Geld als die Nach­zügler, nicht zuletzt durch den Einsatz besserer Methoden und Tools.

Fazit: Die Realität im Jahr 2030 wird wahr­schein­lich ganz anders aussehen, als wir es uns heute vorstellen. Allerdings ist die Kern­aus­sage für heute klar: KI ist da und Sie sollten sie als Freund willkommen heißen.

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